Nachhaltigkeit und Bier - das wird vereint von Knärzje, die Bier aus altem Brot herstellen. Mitten in Frankfurt befindet sich das kleine Unternehmen und wir haben nachgefragt: Wie kommt man auf sowas? Die Idee, die Umsetzung und auch wie die Zukunft für Brotbier aussieht erklärt uns Daniel Anthes, Gründer und Geschäftsführer (oder wie er selbst lieber sagt: Chief Food Lover) und gibt noch Tipps mit, wie auch Sie in Ihrem Unternehmen mehr Nachhaltigkeit erreichen können.
Dan, Gründer und Geschäftsführer, hat Knärzje vor 5 Jahren gegründet und 2021 auf den Markt gebracht. Hier wird ein nachhaltiges Bier verkauft: Ein Bier gegen Lebensmittelverschwendung! Ein Viertel des benötigten Braumalzes wird durch Brot ersetzt. Es gibt eine Kooperation mit einer ansässigen Biobäckerei, deren überschüssige Ware vor der Tonne gerettet wird.
Ich habe Humangeographie studiert und Nachhaltigkeit beschäftigt mich seit dem Studium: Themenschwerpunkt Ressourcenmanagement. Ich hatte im Berufsleben das Thema Nachhaltigkeit immer im Job und dann bin ich auch auf Food Waste gekommen, weil ich nach einem sinnstiftenden Beruf für meine Freizeit gesucht habe. Habe dann auch gesehen, wie viel weggeschmissen wird und mich ehrenamtlich für Lebensmittelrettung eingesetzt. Dann kam irgendwann ein Städtetrip mit Freunden und da haben wir Toast Ale gesehen, das erste Bier, das aus überschüssigem Toast gebraut wurde. Ich habe damals jede Woche für „Zeit für Brot“ altes Brot weiterverteilt und da ist mir aufgefallen, dass das Brotbierkonzept niemand in Deutschland umsetzt. Dann bin ich zu einer Brauerei und wir haben experimentiert und angepasst und dann gab es so eine gute Resonanz, dass ich ein Startup daraus gegründet habe.
Es gibt immer schon die Idee der Regionalisierung, also zum Beispiel die Kooperation mit einer norddeutschen Bäckerei. Aus Knärzje wird Knust, das Branding wird angepasst. Das ist aber super aufwendig und macht alles sehr komplex. Wenn es uns wirklich gut geht und die Marke Zugkraft hat, kann man über ein Franchising nachdenken. Aktuell versuchen wir, auf gesunde Beine zu kommen, aber die Verschwendung ist natürlich so groß, dass sich das lohnen würde.
Wüsste ich auch gerne. Klassisch Startup sind wir da auch ein bisschen im Blindflug, wir versuchen das immer zu analysieren, aber letztendlich ist es krass bunt. Generell ist unsere größte Gruppe junge, gebildete Menschen mit einem gewissen Einkommen, bei denen sich dann auch die Nachhaltigkeit im Einkaufskorb widerspiegeln muss. Das ist dann auch unsere Hauptzielgruppe, die wir verstärkt ansprechen, vor allem, weil der Bierkonsum in der jüngeren Generation zurückgeht. Deshalb haben wir jetzt auch ein alkoholfreies Bier und ein alkoholfreies Radler. Aber generell sind wir bunt gemischt. Auf Events im Außer-Haus-Bereich versuchen wir immer mehr Leute zu erreichen, sodass wir einfach größer werden.
Genau. Das ist schon der größte Pull-Faktor. Wobei, wenn wir das Bier so in Gläsern rausgeben, dann ist das einfach ein sehr leckeres Bier, und die Leute wollen dann mehr, weil es ihnen schmeckt. Das ist auch eine Gratwanderung für das Thema Marketing, weil es aktuell so eine Müdigkeit zum Thema Nachhaltigkeit gibt. Das Thema lassen wir auf keinen Fall hinten runterfallen, aber wir versuchen auch, das Thema Genuss stärker zu bespielen.
Was
erstaunlich gut funktioniert hat, ist, wie wir uns entwickelt haben. Bier ist
die räudigste Lebensmittelkategorie, die es gibt. Der Markt ist alt und die
Strukturen lassen keinen Wandel zu, außer man hat viel Geld. Dafür haben wir
uns aber gut entwickelt. Hatten letztes Jahr sogar eine Kooperation mit der
Deutschen Bahn, da gab es unser Bier im Bahnbistro, da hat man uns gesehen.
Aber dieses Jahr stehen wir mit dem Rücken zur Wand, weil das eben Aktionen
waren und die Firmen sich das normalerweise nicht leisten können. Vor diesem
Hintergrund bin ich stolz auf das, was wir mit diesem Team geschafft haben. Ich
will es nicht missen, bin aber Realist und weiß, dass diese Reise keine
unendliche ist. Was mich antreibt, ist immer noch dieser unbändige Mut und die
Neugier, den Status quo in Frage zu stellen, besonders beim Bier.
Wir sind Gewohnheitstiere und hinterfragen nicht, und beim Bier hast du dann eine Marke und die trinkst du dann dein ganzes Leben. Bei Obst und Gemüse achten wir viel mehr auf Nachhaltigkeit und Bio, aber Bier ist für die meisten einfach Bier. Das nehme ich sogar in unserer Bubble wahr. Die gehen raus und bestellen ein Bier und dann ist denen auch egal, was da ist. Die Branche hat mit dem Reinheitsgebot den größten Marketingcoup erlangt, denn wir verbinden mit Bier dadurch direkt hohe Qualität und Nachhaltigkeit, was total unsinnig ist. Man kann auch mit konventionellem Hopfen- oder Malzanbau Äcker zerstören. Aber das weiß keiner und da ist so viel Geld drin, dass man den Stein kaum umdrehen kann. Und das treibt mich an, da reinzugehen, wo es weh tut, Fragen zu stellen und auch etwas zu verändern.
Hast du noch Tipps für uns?
Neugierig bleiben und „check your privilege“. Uns geht’s hier eigentlich ganz gut, aber das bewahrt uns nicht vor Verantwortung – jeder Konsum hat eine Auswirkung. Nur weil Dinge schwierig umzusetzen sind, macht es das nicht unwichtiger. Deswegen sollten Unternehmerinnen und Unternehmer da vorangehen, mehr ausprobieren und entwickeln. Nachhaltigkeit heißt auch Zukunftsfähigkeit, auch als Unternehmen. Ich würde mich freuen, wenn mehr Leute Nachhaltigkeit wirklich aktiv angehen würden und nicht nur mal als Aktion oder Event. Man kann sich auch immer zusammentun, miteinander reden und sich helfen.